Passion Jesus

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Passionsspiele Erl: Bart ab

Nach 34 Vorstellungen geht das Passionsspieljahr zu Ende. Der Tradition gemäß wurden direkt im Anschluss die Bärte und Haare von rund 150 Männern abgeschnitten. Ein Symbol für die Rückkehr in den Alltag, der die Spieler jetzt erwartet.

Die Probezeit mit Martin Leutgeb war lang und intensiv. Als Regisseur hat er es sich zur Aufgabe gemacht, mit jedem einzelnen Ensemblemitglied an der Rolle zu feilen, bis die Emotionen der einzelnen Figuren für alle Zuschauer spürbar werden. Dieses Ziel hat er erreicht. Nicht nur einmal sind während der Aufführung Tränen einer tiefen Bewegung geflossen, wie die Spieler nach der letzten Vorstellung berichten. Die Arbeit mit den Laiendarstellern aus Erl war so intensiv, dass zwischen den Besetzungen von Schwarz- und Weiß kleine, aber feine Unterschiede zu erkennen waren. Wie viele Zuschauer sich die Passionsspiele gleich zwei Mal zu Gemüte geführt haben, um beide Varianten zu sehen, ist nicht nachvollziehbar. Insgesamt jedenfalls waren es über 40.000 Personen, die die diesjährigen Aufführungen der Passionsspiele Erl gesehen haben.

Hohe Auslastung und zwei Zusatzvorstellungen

Ein voller Erfolg, wie auch der Obmann des Passionsspielvereines Karl Anker bestätigt: „Die Auslastung ist von Woche zu Woche gestiegen. Vor allem, weil die Leute miteinander reden, weitererzählen, wie sehr es ihnen gefallen hat. Da hat man gespürt, dass das Publikum immer mehr geworden ist. Und ja, das macht zufrieden.“ Mit knapp 80% Auslastung konnte man die Zahlen aus den vergangenen Jahren halten und bei einer jüngeren Zielgruppe sogar ausbauen.

Für Karl Anker, der auch auf der Bühne zu sehen war, ist es seine erste Saison als Obmann, die jetzt zu Ende geht: “Für mich war das wirklich überwältigend. Dass wir das alle zusammen geschafft haben, das ist ganz besonders. Und jetzt, nach all der Zeit, spürt man auch eine Erleichterung. Dass es gut gegangen ist, dass wir das gemeinsam tragen konnten – das bewegt mich schon sehr.“

Große Katastrophen und Krankheitsfälle sind in diesem Jahr Gott sei Dank ausgeblieben, auch eine Umbesetzung war nicht nötig. Durch die Doppelbesetzungen wäre man zwar wunderbar vorbereitet gewesen, doch mit etwas Hilfe von oben konnte das verhindert werden. Die Stimmung in Erl ist gut, auch wenn man sich jetzt freut, wieder zur Routine zurückzukehren: „Ich möchte mich einfach bei allen bedanken. So viele haben ihre Freizeit geopfert, Privates hintenangestellt und waren ganz für die Spiele da. Besonders schön war es, dass ganze Familien dabei waren – vom Urgroßvater bis zum Urenkel. Das ist schon etwas, was Erl auszeichnet, dieser Zusammenhalt.“

Noch im Rollenbild: Zwei Passionsspieler kurz vor dem symbolischen Abschied von Bart und Haar.

Passion Schauspieler

Mit geübter Hand und viel Gefühl – der Haarschnitt markiert das Ende eines besonderen Kapitels für die Erler Passionsspieler.

Passion Friseur

Erzbischof Franz Lackner zelebrierte den abschließenden Gottesdienst und dankte der Passionsspielgemeinde für ihren außergewöhnlichen Einsatz.

Passion Erzbischof

Zurück im Alltag – das Ritual des Haareschneidens macht die Rückkehr aus der Passion sichtbar.

Passion Schauspieler nachher

Ein Moment voller Emotion: Die beiden Jesus-Darsteller Christoph Esterl und Stefan Pfisterer nach der letzten Aufführung.

Passion Jesus

Obmann Karl Anker zieht ein emotionales Fazit nach einer erfolgreichen Passionsspielsaison mit über 40.000 Besuchern.

Passion Anker

Ehrenamtlicher Einsatz für die Passion

Wie viele Stunden insgesamt in das Passionsspiel geflossen sind, lässt sich heute nicht mehr sagen. Jeder kleine Beitrag ist wichtig: „Es ist klar, dass die Spielerinnen und Spieler auf der Bühne den meisten Applaus bekommen“, gibt Karl Anker zu bedenken: „Aber mir ist wichtig zu sagen: Jeder Einzelne hat seinen Beitrag geleistet, ob sichtbar oder nicht. Nur wenn alle zusammenhelfen, funktioniert das Ganze. Und genau das ist es, was die Passionsspiele ausmacht.“ Diesen „Erler Geist“, der die Spieler:innen beseelt, hat auch Erzbischof Franz Lackner gespürt, der sein Versprechen eingelöst hat und in einer der Vorstellungen als Teil des Volkes zu sehen war. Am 4. Oktober war der Erzbischof wieder zugegen, um den Passionsspielern zu danken und ihnen ein ganz besonderes Geschenk zu überreichen.

Die nächsten Passionsspiele werden 2031 über die Bühne gehen. In der Zwischenzeit kehrt in Erl wieder der Alltag ein. Ein bildgewaltiges Zeichen, dass die Normalität die Erler wieder zurück hat, ist der Griff zur Schere, der traditionell noch am Tag der Dernière erfolgt. Insgesamt sieben Friseurinnen waren ehrenamtlich im Einsatz, um über 150 Spieler von ihrer Haartracht zu befreien.

Ab jetzt werden die Passionsspieler nicht mehr von Weitem zu erkennen sein. Vielleicht aber spürt man es doch, dass sie dieser besonderen Gemeinde angehören. Die Erler haben noch viel vor: Den Regeln der vergangenen Jahre folgend, ist im Jahr 2031 mit einer Wiederaufnahme der diesjährigen Inszenierung zu rechnen – wenn Martin Leutgeb diese in einer neuen Besetzung wieder aufleben lassen möchte. Denn in sechs Jahren werden aus Knaben jugendliche Männer, aus jungen Frauen Mütter und manch einer wird dann in eine neue Rolle schlüpfen.

Die Hardfacts im Überblick

  • Mehr als 40.000 Besucher strömten in diesem Jahr nach Erl.

  • 34 Vorstellungen begeisterten Publikum und Spielende gleichermaßen.

  • Aufgrund der hohen Nachfrage wurden zwei Zusatzvorstellungen eingeschoben.

  • Rund 500 Mitwirkende standen auf, hinter und neben der Bühne im Einsatz.

  • Erzbischof Franz Lackner löste sein Versprechen ein und spielte einmal im Volk mit.

  • Rund 150 Männer und Kinder trennten sich nach der Dernière von ihren Haaren.

  • Die nächsten Passionsspiele in Erl finden im Jahr 2031 statt.