Rübenernte

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Alles im Umbruch in Österreichs Zuckerwirtschaft

Nach der Schließung des Werks Leopoldsdorf steht die Zuckererzeugung in Österreich vor neuen Herausforderungen – von der Logistik bis zur Wirtschaftlichkeit. Ein Lokalaugenschein im niederösterreichischen Raasdorf.

Seit März des heurigen Jahres hat Österreich – bedingt durch die wirtschaftliche Lage – nur noch eine Zuckerfabrik. Nach der Schließung des Standortes Leopoldsdorf werden heimische Zuckerrüben nun ausschließlich in Tulln verarbeitet. Für die Rübenbauern bedeutet das neben anhaltendem Preisdruck eine Neuordnung: veränderte Transportwege, angepasste Lagerstrukturen, neue Logistiksysteme. Wie geht es ihnen damit?

Weitermachen, wenn auch in kleinerem Umfang

Wolfgang List bewirtschaftet im Marchfeld einen gemischten Ackerbaubetrieb mit hohem Anteil an Hackfrüchten. Zwiebeln, Kartoffeln und Zuckerrüben dominieren seine Fruchtfolge – Kulturen, die im Familienbetrieb seit Generationen eine wichtige Rolle spielen. „Wir sind im Acker- und Gemüsebau breit aufgestellt“, sagt er. „Die Rübe ist ein fixer Bestandteil unserer Fruchtfolge.“

Die Rübe ist ein fixer Bestandteil unserer Fruchtfolge.

Wolfgang List

Auch wenn die Wirtschaftlichkeit zuletzt unter Druck stand, bleibt die Kultur für viele Betriebe unverzichtbar – aus wirtschaftlichen Gründen ebenso wie aus Tradition. „Heuer war die Saison bisher recht stabil“, so List. „Erträge und Zuckergehalt liegen im durchschnittlichen Bereich.“ Schwierigkeiten bereiteten vor allem die Witterung im Frühjahr und der Schädlingsdruck durch Rüsselkäfer und Blattläuse.

Trotz allem überwiegt der Wille, den Rübenanbau fortzuführen. „Wir werden in kleinerem Umfang weitermachen, um den Rübenanbau nicht ganz aufzugeben und bei besseren Bedingungen wieder ausbauen zu können“, erklärt List.

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Weniger Fläche, aber gute Erträge. Laut Agrana wird die Kampagne heuer bis Anfang Februar dauern.

Neue Logistik, alte Sorgen

Mit der laufenden Rübenkampagne ändert sich auch die Logistik in der Ernte. Laut Rübenbauern laufen derzeit Verhandlungen mit der Agrana, wie künftig die Übernahmelogistik ablaufen soll. In Niederösterreich war diese bisher von regionalen Rübenlagerplätzen geprägt. Nun werde aber zunehmend der direkte Abtransport per Verlademaus und Lkw forciert, wie dies etwa in Oberösterreich oder anderen Staaten üblich ist. Am Lagerplatz in Raasdorf sorgt das für Diskussionen. „Natürlich müssen Strukturen angepasst werden, wenn sich die Rübenmenge halbiert“, sagt Ernst Karpfinger, Präsident des Dachverbandes der österreichischen Rübenbauern. „Aber das darf nicht zulasten der Betriebe gehen.“ In manchen Regionen seien Rübenplätze unverzichtbar, weil Straßen und Feldwege für Lkw schlicht nicht befahrbar seien.

Karpfinger fordert daher individuelle Lösungen – abgestimmt auf Lage, Flächengröße und Infrastruktur. „Man kann nicht alles pauschal schließen. In manchen Gebieten wird die Maus gut funktionieren, in anderen braucht es weiterhin Lagerplätze.“ Wichtig sei vor allem der Dialog zwischen Industrie und Landwirten. „Nur gemeinsam kann man praktikable Systeme entwickeln.“

Probleme gibt es demnach auch in der laufenden Ernte. Wolfgang List, der auch überbetrieblich Rüben rodet, berichtet von vielen Bauern, die derzeit über unklare Übernahmezeiten und lange Wartephasen klagen. „Die Planungssicherheit fehlt heuer“, so List. „Wenn ich weiß, wann ich liefern kann, kann ich auch für die Nachfolgesaat besser planen.“ Gerade in den intensiven Fruchtfolgen seiner Region sei Zeit „ein entscheidender Faktor“.

Märkte in Schieflage

Seit dem Ende der EU-Zuckermarktordnung steht der europäische Rübenanbau unter Druck.

Vor 20 Jahren war der Zuckerpreis um 20 Prozent höher, die Kosten aber um 70 Prozent niedriger.

Ernst Karpfinger

Nach zwei stabileren Jahren ist die Branche 2025 erneut in einer schwierigen Lage. „Die Zuckerpreise liegen aktuell bei rund 530 bis 550 Euro pro Tonne – das ist deutlich unter dem Niveau, das für eine kostendeckende Produktion nötig wäre“, erklärt Karpfinger. „Wir bräuchten rund 600 bis 650 Euro.“ Die Erzeugungskosten seien in den vergangenen Jahren massiv gestiegen – für Energie, Betriebsmittel und Arbeit. Nachsatz: „Vor 20 Jahren war der Zuckerpreis um 20 Prozent höher, die Kosten aber um 70 Prozent niedriger. Diese Schere lässt sich auf Dauer nicht halten.“

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Landwirt Wolfgang List will den Rübenanbau noch nicht abschreiben.

Immerhin: Die heurige Ernte fällt solide aus. Im Mittel werden rund 78 Tonnen pro Hektar bei einem Zuckergehalt von 17 Prozent geerntet. „Qualität und Menge passen heuer“, betont Karpfinger. Neben dem Marktpreis sorgen auch die Freihandelsabkommen, wie etwa Mercosur, für Unsicherheit. „Wenn zollfrei Zucker aus Brasilien oder der Ukraine importiert wird, geraten europäische Produzenten weiter unter Druck“, warnt der Rübenbauern-Präsident. „Wir haben völlig andere Umwelt- und Produktionsstandards. Wenn die EU Eigenversorgung will, braucht es faire Rahmenbedingungen.“ Trotz aller Herausforderungen blickt Karpfinger nach vorn. Digitalisierung, präzisere Anbautechnik und ressourcenschonende Verfahren könnten künftig helfen, Kosten zu senken und Effizienz zu steigern. „Unsere Betriebe sind heute sehr modern – vom GPS-Anbau bis zur digitalen Pflanzenschutztechnik. Das ist eine Stärke, auf der wir aufbauen können.

Wir wollen die Rübe nicht verlieren, nur muss sie sich auch wieder rechnen.

Wolfgang List

Was es dafür aber braucht, sind stabile Märkte und verlässliche politische Rahmenbedingungen. „Wenn die Landwirte wissen, dass sich der Einsatz lohnt, werden sie auch künftig Rüben anbauen“, so Karpfinger. Auch Wolfgang List gibt sich zuversichtlich: „Die Rübe gehört zu unserem Betrieb. Wir wollen sie nicht verlieren, nur muss sie sich auch wieder rechnen.“