Die Diskussionen rund um die Lebensmittelpreise in Österreich wollen nicht abreißen. Kürzlich ließ eine Studie des „Joint Research Center“, der Forschungsstelle der EU-Kommission, mit überraschenden Ergebnissen aufhorchen. Darin wird bestätigt, dass mit verstärkter Förderung von Produktivität und Investitionen in die Landwirtschaft ein wichtiger Beitrag zum Senken von Lebensmittelpreisen und auch zur weiteren Verbesserung der EU-Handelsbilanz geleistet werden kann. Ohne Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) – ein nur hypothetisches Szenario – würde die Lebensmittelproduktion in der EU erheblich zurückgehen, die Preise für Konsumenten würden stark ansteigen.
Nicht auf gemeinsame EU-Agrarpolitik verzichten
„Die aktuelle Studie bestätigt die absolute Unverzichtbarkeit einer gemeinsamen EU-Agrarpolitik nicht nur für Bäuerinnen und Bauern, sondern auch für die Konsumenten. Vor diesem Hintergrund sind die von der EU-Kommission vorgelegten Vorschläge für starke Kürzungen in der EU-Agrarfinanzierung sowie eine verstärkte Renationalisierung der Agrarpolitik noch unverständlicher. Vielmehr braucht es die Fortsetzung produktionsintegrierter Umweltmaßnahmen, wie sie in der aktuellen Agrarpolitik, insbesondere mit dem Agrarumweltprogramm ÖPUL, verfolgt werden“, appelliert Oberösterreichs LK-Präsident Franz Waldenberger. Die EU-Kommission sei daher gefordert, die Ergebnisse ihrer eigenen Studien ernst zu nehmen und sich „für eine weitgehende Beibehaltung der bisherigen EU-Agrarpolitik“ einzusetzen.
Mit der Studie wurden mehrere Szenarien unter die Lupe genommen: So bringe ein Fokus auf „Produktiovität und Investitionen“ für alle Sparten der Landwirtschaft Produktionssteigerungen, zusätzliche jährliche Agrar- und Lebensmittelexporte in Höhe von 2,7 Milliarden Euro und niedrigere Lebensmittelpreise. Derartige Strategien der Agrarpolitik steigern Produktion und Wirtschaftsleistung, begrenzen die Ausweitung von Tierherden und Anbauflächen und verbessern somit auch die Ressourceneffizienz.
Im Szenario Umwelt und Klima würden GAP-Fördermittel noch stärker auf Umwelt und Klima ausgerichtet. Dies würde die landwirtschaftliche Produktion um vier Prozent zurückgehen und Lebensmittelpreise steigen lassen. Die agrarische Handelsbilanz würde sich um 1,8 Milliarden Euro verschlechtern. Die Nachfrage würde sich in andere Regionen der Welt verlagern, wo Landwirtschaft weniger umwelt- und klimaeffizient betrieben wird. Umweltauswirkungen würden nur innerhalb der EU verbessert, auf den globalen Klimaschutz wirke sich das Phänomen der Emissionsverlagerung kontraproduktiv aus.
Die Diskussion um billig oder teuer greift zu kurz, weil dem Wert der Lebensmittel kaum Beachtung geschenkt wird
Christoph Teller
Universitätsprofessor
Weniger Lebensmittel, weniger Beschäftigte
Eine rein hypothetisch betrachtete Abschaffung der GAP – mit den EU-Verträgen ohnehin unvereinbar – würde die Lebensmittelproduktion in der
EU massiv zurückgehen lassen, ebenso die Beschäftigung im Agrar- und Lebensmittelsektor. Von den drei genannten Szenarien hatte dieses die massivsten Auswirkungen auf Landwirtschaft, Beschäftigung und Konsumenten, aber auch Klima und Umwelt. Auf das System der österreichischen Landwirtschaft würde es sich vermutlich noch viel deutlicher auswirken.
Wissenschafter: Verweis auf EU-Durchschnitt
Um eine Einordnung der Preise in Österreich im Vergleich zur EU haben sich die Professoren Christoph Teller und Ernst Gittenberger vom Institut für Handel, Absatz und Marketing an der Johannes Kepler-Universität Linz bemüht. Sie bestätigen, dass die Lebensmittelpreise seit 2019 deutlich angestiegen sind (30 %), allerdings hierzulande weniger stark als in der EU (34 %). Die Preise für Wohnen (inklusive Energie) hätten sich im gleichen Zeitraum um 35,7 % erhöht. Allein die Energiepreise sind in fünf Jahren um fast 61 % gestiegen. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Einkommen der österreichischen Haushalte ist in der Zeit in ganz ähnlichem Ausmaß wie die Lebensmittelpreise gestiegen.
Im EU-Vergleich geben private Haushalte in Österreich anteilsmäßig relativ wenig Geld für Lebensmittel aus. Anders sieht es bei den gesamten Konsumausgaben für Freizeit, Kultur und Hotels bzw. Gastronomie aus, diese fallen hier überdurchschnittlich hoch aus.
Wert der Lebensmittel wieder erkennen
Was den österreichischen Lebensmitteleinzelhandel auszeichnet ist ein hoher Bio-Anteil: Hier rangiert Österreich hinter Dänemark auf Platz zwei. Führend auch in der Bio-Landwirtschaft (europäische Spitze mit 25,7 %, EU-Schnitt 9,1 %) weist das „Bio-Land“ Österreich allerdings einen wertmäßig bei über 30 % liegenden Aktionsanteil im Lebensmitteleinzelhandel aus. Der Bio-Anteil liegt wertmäßig bei elf Prozent. „Weil Konsumenten zwar bio, fair und regional wichtig finden, beim Einkaufen aber letztlich der Preis zählt“, so Teller. „Lebensmittel sind mehr als bloße Handelsware – sie sind Überlebensmittel. Die Diskussion um billig oder teuer greift zu kurz, weil dem Wert der Lebensmittel kaum Beachtung geschenkt wird“, so der Universitätsprofessor. Wer immer nur das Billigste wolle, bekomme irgendwann auch nur mehr dieses – und nicht das Beste. Es gehe also auch darum, „den Wert der Lebensmittel wieder zu erkennen.“
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